Wenn du nicht Nein sagen kannst, ist dein Ja nichts wert.
Hast du dich schonmal gefragt, was „Nein“ sagen mit deinen Grenzen, People pleasing, Harmoniesucht und empathischem Zuhören zu tun hat? Ich auch nicht, aber die Antworten sind trotzdem spannend.
Vielleicht fallen dir sofort Menschen ein, bei denen du zögerst, um einen Gefallen zu bitten. Warum? Weil du ihrem Ja nicht traust. Sie machen zwar, was du möchtest, aber am Ende wird es für die Beziehung teurer, als es einfach selbst zu machen.
Frag dich mal: Gibt es Situationen, in denen du dich genauso verhältst? Menschen, bei denen es dir schwerfällt, Nein zu sagen – weil sie hilflos erscheinen, dir Komplimente machen, auf dich angewiesen sind oder eine andere Schwachstelle treffen?
- „Kannst du mich zum Arzt fahren? Ich schaff’s alleine nicht.“
- „Ich häng mit dem Projekt hinterher und brauch dringend Unterstützung. Kannst du das übernehmen?“
- „Hast du am Wochenende Zeit, mir beim Umzug zu helfen?“
- „Ich weiß, ich rede manchmal viel, aber du kannst so gut zuhören. Das tut einfach gut, dir das alles zu erzählen.“
Was davon kommt dir bekannt vor?
Ich bin ziemlich sicher, dass es Situationen gab, in denen du erst hinterher gemerkt hast, dass du Ja gesagt hast, obwohl es über deine Grenzen ging. „Aber jetzt noch absagen?“ Auch schwierig. „Also durchziehen?“
Da wäre es gut, weiter vorne anzusetzen, um gar nicht erst in dieses Dilemma zu geraten. Was braucht es dafür? Klarheit: Was will ich? Was will ich nicht? Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Transparenz.
Und leider verstärkt das Erlernen der GFK bei den meisten von uns eher die empathische Seite: den anderen besser verstehen, reden, Einfühlung, eine gemeinsame Lösung finden …
„Statt Nein zu sagen, sprechen wir die Bedürfnisse aus, die uns hindern, Ja zu sagen“
Dieser Ansatz von Marshall Rosenberg hilft zwar, Konflikte aufzulösen und Verbindung zu schaffen, kann aber leicht dazu führen, dass du deine eigenen Grenzen Schritt für Schritt verwischt – gerade wenn du Schwierigkeiten hast, Nein zu sagen.
Empathie kann es schwieriger machen, Nein zu sagen, statt einfacher.
Ein einfaches „Nein, möchte ich nicht“ kommt dann immer seltener über die Lippen. Warum?
Vielleicht hast du Angst vor Ablehnung, sehnst dich nach Harmonie oder möchtest Konflikten aus dem Weg gehen. All das wird einfacher, wenn du lernst, empathisch zuzuhören. Der Teil in dir, der Angst vor der Reaktion des anderen hat, nutzt deine neuen Fähigkeiten, um noch netter und angepasster zu werden.
Also nimmst du dir die Zeit, dem anderen mit seinen Bedürfnissen zuzuhören – und merkst gar nicht, dass du dadurch noch geneigter bist, Ja zu sagen. Schließlich ist es ja eigentlich keine große Sache.
Und dann? Dann ärgerst du dich hinterher, dass der andere deine Grenzen übertreten hat, obwohl du selbst nicht mehr wusstest, dass sie da liegen. Uff.
Damit du nicht am Ende die Person bist, die andere nicht mehr um einen Gefallen bitten – aus Sorge, dass du über deine eigenen Grenzen gehst – braucht es ein Gegengewicht.
Klarheit über deine Grenzen
Langfristig geht es darum, deine Bedürfnisse mindestens genauso ernst zu nehmen, wie die der anderen. Mittelfristig musst du dafür deine Grenzen spüren, Signale rechtzeitig wahrnehmen, lernen dein Nein und dein Ja gleichermaßen auszusprechen. Kurzfristig geht es ums innehalten, bevor du antwortest.
Langfristig: Nimm deine Bedürfnisse mindestens genauso ernst wie die der anderen. Das erfordert eine grundlegende innere Haltung, die deine Prioritäten und Grenzen klarer definiert.
Mittelfristig: Lerne, deine Grenzen wahrzunehmen und Signale rechtzeitig zu erkennen. Journaling kann dabei helfen, Muster zu identifizieren: Wo hast du etwas übernommen oder zugesagt, und wie stimmig war das im Nachhinein für dich? Reflektiere regelmäßig, ob du mit deinen Entscheidungen zufrieden bist.
Kurzfristig: Innehalten, bevor du antwortest.
Dir selbst Raum geben, um zu prüfen: Will ich das wirklich? Habe ich die Kapazität dafür? Statt reflexartig Ja zu sagen, leg eine Pause ein.
Quick fix: Ein einfacher Satz wie „Ich überlege es mir“ oder „Ich muss erstmal eine Nacht drüber schlafen“ kann dir Zeit verschaffen. Gewöhn dir eine Formulierung an, die für dich passt, und lern sie auswendig. So kannst du bewusster entscheiden – für dich und für die Beziehung.